BENITA QUADFLIEG STIFTUNG - Aus der Geschichte von Haus Mignon


Haus Mignon ist in den 40 Jahren seit seiner Gründung zu einer Hamburger Institution mit mittlerweile über 70 festen Mitarbeitern herangewachsen, die Familien mit besonderen Kindern helfend zur Seite steht und gleichzeitig Behörden und vielen weiteren Einrichtungen im sozialen, therapeutischen und medizinischen Bereich ein zuverlässiger Partner ist.

Die „Keimzelle“ von Haus Mignon, wie sie es selbst gerne nannte, begründete einst Benita Quadflieg-von Vegesack, Heilpädagogin, Medizinerin und selbst fünffache Mutter. Während ihrer langjährigen Arbeit mit behinderten Kindern machte sie immer wieder die Erfahrung, dass außer der klassischen Krankengymnastik kaum weitere Möglichkeiten der Förderung Anwendung fanden. Durch ihre zusätzliche Behandlung mit heilpädagogischen Methoden vollzogen die Kinder neue und oft gänzlich unerwartete Entwicklungsfortschritte. So traten immer mehr Eltern auf Benita Quadflieg zu und baten um Unterstützung. 

Gemeinsam mit Ärzten, Heilpädagogen, Fachkollegen und Eltern gründete sie am 25. Oktober 1975 die „Heilpädagogisch-therapeutische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des entwicklungsgestörten Kindes gemn. e. V.“ und nahm ihre Arbeit mit einer kleinen Gruppe zunächst in den Räumlichkeiten eines Blankeneser Waldorfkindergartens, dann in einer winzigen eigenen Praxis auf. Von Montag bis Donnerstag förderte sie vormittags fünf Kleinkinder heilpädagogisch, sprachlich und bewegungstherapeutisch. Nachmittags kamen größere Kinder zu Einzelstunden, freitags fuhr Benita Quadflieg zur mobilen Frühförderung zu den Familien nach Hause. 

Die immer größere Nachfrage erforderte bald neue Räumlichkeiten und Mitarbeiter. 1978 fand sich ein ehemaliges Kutscherhaus in der Christian-F.-Hansen-Straße in Nienstedten, bis heute Hauptsitz von Haus Mignon. Es war allerdings sehr baufällig und nur mit der tatkräftigen Hilfe von zahlreichen Eltern und großzügigen Zuwendungen gelang nach und nach die Sanierung des Hauses. 

Aus Altersgründen stellte Benita Quadflieg 1983 Martin Kliewer als ihren Nachfolger ein. Er brachte den Namen „Haus Mignon“ nach der fragilen Kindfrau aus Goethes „Wilhelm Meister“ ein und entwickelte später zwei therapeutische Projekte in der Großstadt. Zum einen pädagogische Segeltörns auf dem Traditionsschiff Fortuna. Hier reisen behinderte und nicht behinderte Jugendliche gemeinsam und jeder bringt sich nach seinen individuellen Möglichkeiten in der Crew ein. Um das finanzielle Risiko von Haus Mignon fernzuhalten, wurde der Verein Mignon Segelschiffahrt e. V. gegründet, dem es 1992 gelang, mit Hilfe privater Geldgeber das Schiff zu erwerben. Zum anderen rief Martin Kliewer 1992 den Circus Mignon ins Leben, den er seit seinem Austritt aus Haus Mignon 2001 eigenständig führt. 

Ebenfalls in den 90er Jahren entstand ein Seminarbereich im Haus Mignon aus der Suche heraus von Eltern, Heilpädagogen, Lehrern, Erziehern und Therapeuten nach einem offenen Forum des pädagogischen Gesprächs. Die Initiatoren wollten sich mit gleichberechtigten Gesprächspartnern über das Leben und Arbeiten mit Kindern, die Voraussetzungen ihrer Erziehung, Unterrichtung und - wenn notwendig - ihrer heilpädagogischen bzw. therapeutischen Behandlungsformen austauschen. Seither gehören Fachseminare, Supervision und Schulungen anderer Einrichtungen, Veranstaltungen als Möglichkeit der Begegnung, Eltern-Kind-Treffen, Systemische Beratung und Familienberatung zum festen Bestandteil der Einrichtung. 

Vor zwanzig Jahren genau, im August 1995, wurde das Kinderhaus Mignon gegründet. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Kutscherhaus fanden zunächst acht Kinder, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Herkunftsfamilien bleiben konnten, in zwei familienanalogen Wohngemeinschaften ein neues Zuhause. Heute leben im Kinderhaus insgesamt 16 Kinder in drei Wohnungen (eine davon befindet sich in Cranz), wobei jede Altersgruppe vom Säugling bis zur Volljährigkeit vertreten ist.

2001 eröffnete Haus Mignon einen integrativen Kindergarten, in dem einige Jahre später die heilpädagogische Kindergartengruppe integriert wurde. 2007 folgte eine Krippe und 2008 eine weitere heilpädagogische Gruppe. 2004 konnte mit Hilfe großzügiger Spenden mit dem Bau eines Pavillons hinter dem Kutscherhaus begonnen werden, der bis heute für Therapien, Eltern-Kind-Gruppen, systemische Familienberatungen und verschiedene Veranstaltungen genutzt wird. 

Die ambulante und mobile Frühförderung von Haus Mignon hatte sich im Laufe der Zeit dermaßen vergrößert, dass neben Nienstedten weitere Dependancen entstanden, um für die Familien möglichst kurze Wege zu gewährleisten. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt um die Kostensätze konnte Haus Mignon 2009 den Bereich in eine sogenannte Interdisziplinäre Frühförderung umwandeln. Seitdem arbeiten die verschiedenen Therapeuten, wie Physiotherapeuten oder Logopäden, unter der Verantwortung eines Kinderarztes und einer Heilpädagogin zusammen und den Familien kann das gesamte Paket an angezeigten Maßnahmen komplex aus einer Hand angeboten werden. 2011 zog die Frühförderstelle in die Sternstraße im Schanzenviertel und betreut heute etwa 200 Kinder im gesamten Stadtgebiet.

 

Die hohe Qualität der Arbeit von Haus Mignon war von Anfang an von den staatlichen Pflegesätzen allein nicht aufrecht zu erhalten, sondern auch in großem Maße durch private Geldgeber, freiwillige Helfer und zusätzliche Zuwendungen gewährleistet. Mit dem Ziel, professioneller Mittel einzuwerben, gründete der Vorstand von Haus Mignon gemeinsam mit Eltern 2012 die Benita Quadflieg Stiftung. 2014 gelang es der Stiftung, die Immobilie, in der das Kinderhaus Mignon untergebracht ist, zu erwerben, um die Einrichtung langfristig abzusichern. 

40 Jahre Haus Mignon ist gelebte Vergangenheit und Zukunft in einem. Aktuell stehen neue Projekte an wie die Etablierung der Musiktherapie auf der Früh- und Neugeborenenstation im UKE, die Vergrößerung des Kindergartenbereiches, die Erweiterung des Kinderhauses sowie ein Ausbau des Seminarangebotes für Erzieher, Eltern und Therapeuten.